Ich lese gerade das durchaus empfehlenswerte Buch Foundations and Fundamental Concepts of Mathematics von Howard Eves. Das erste Kapitel handelt von vor-Euklidischer Mathematik und schließt mit einer Reihe interessanter Aufgaben, über die sich schon die Babylonier und Griechen den Kopf zerbrochen haben. Eine besonders schöne Fragestellung geht so (Aufgabe 1.1.5):
Eine Scheibe mit Radius R rotiert vertikal an einer horizontalen Achse. Die Scheibe taucht dabei in eine Flüssigkeit ein, so dass ein Teil davon benetzt wird. In welcher Höhe muss man die Scheibe über der Flüssigkeit befestigen, damit die benetzte Fläche über der Flüssigkeit maximal wird?
Das Problem trat anscheinend bei der Sirupherstellung in der Antike auf. Ich habe das Ganze mal versucht zu zeichnen, die rote Fläche soll die gesuchte benetzte Oberfläche anzeigen:
Man sieht schnell, dass die benetzte Fläche durch das Eintauchen zunächst einmal größer wird. Je tiefer man die Scheibe eintaucht, desto mehr von dieser Fläche befindet sich dann aber unter der Oberfläche. Wir wollen jetzt also bestimmen, wie tief wir die Scheibe maximal eintauchen dürfen, damit die Fläche über der Flüssigkeit möglichst groß bleibt. Dabei lösen wir das Problem einmal empirisch, also indem wir alle möglichen Werte ausprobieren und schauen bei welchen Werten das Maximum auftritt. So wurde das Problem wohl damals gelöst, vor Kurvendiskussionen. Danach werden wir die Formel differenzen und daraus das Maximum bestimmten.
Zur Lösung des Problems verwende ich hier die Bibliothek SymPy. Dieser Text wurde als IPython Notebook verfasst, dieses gibt es zum Download:
https://github.com/pbouda/peterbouda.eu/blob/master/notebooks/sympy_scheibenseg ment.ipynb
Voraussetzungen
Wir setzen voraus, dass wir die Formeln für die Flächen der einzelnen Teile der Scheibe berechnen können. Dazu gehört:
- der gesamte Flächeninhalt der Scheibe: $$A_1 = R^2\pi$$
- der Ring auf der Scheibe, der insgesamt bei Rotation mit der Flüssigkeit in
Berührung kommt(wobei
r
dann der Höhe der Achse über der Flüssigkeit entspricht): $$A_2 = r^2\pi$$ - der Teil der Scheibe, der jeweils unter Wasser ist (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Kreissegment): $$A_3 = R^2\arccos{r\over R} - r\sqrt{R^2 - r^2}$$
Die von uns gesuchte Fläche ist dann einfach: $$A = A_1 - A_2 - A_3$$ also eingesetzt: $$A = R^2\pi - r^2\pi - R^2\arccos{r\over R} + r\sqrt{R^2 - r^2}$$
Diese Formel können wir gleich so in SymPy übernehmen:
In[54]:
from sympy import *
%load_ext sympy.interactive.ipythonprinting
r, R = symbols("r R")
A = R**2*pi - r**2*pi - R**2*acos(r/R) + r*sqrt(R**2 - r**2)
A
$$- R^{2} \operatorname{acos}{\left (\frac{r}{R} \right )} + \pi R^{2} - \pi r^{2} + r \sqrt{R^{2} - r^{2}}$$
Empirisches Maximum
Als Erstes wollen wir das Maximum empirisch bestimmen, also einfach gegebene
Werte für R
und r
einsetzen und ausgeben. Dazu können wir als zunächst R
einen festen Wert zuweisen, ich nehme einfach 10 für den Radius der Scheibe:
In[52]:
A_10 = A.subs(R, 10)
A_10
$$- \pi r^{2} + r \sqrt{- r^{2} + 100} - 100 \operatorname{acos}{\left (\frac{1}{10} r \right )} + 100 \pi$$
Für r
probieren wir jetzt Werte zwischen 0 und 9:
In[55]:
for i in range(10):
print("{0}/10 -> {1}".format(i, A_10.subs(r, i).evalf()))
0/10 -> 157.079632679490
1/10 -> 173.904656513122
2/10 -> 184.244972086429
3/10 -> 187.892740241230
4/10 -> 184.626440388448
5/10 -> 174.200964088797
6/10 -> 156.332408029586
7/10 -> 130.671341314465
8/10 -> 96.7472246499041
9/10 -> 53.8176697304459
Die benetzte Fläche ist hier also maximal für r = 3/10*R
(also r = 3
für R
= 10
). Wir können uns die Werte zwischen 2 und 4 für r
noch genauer anschauen:
In[27]:
import numpy
for i in [2.0+k*0.1 for k in range(20)]:
print("{0}/10 -> {1}".format(i, A_10.subs(r, i).evalf()))
2.0/10 -> 184.244972086429
2.1/10 -> 184.914434156967
2.2/10 -> 185.516768466727
2.3/10 -> 186.051760290858
2.4/10 -> 186.519193409771
2.5/10 -> 186.918850022558
2.6/10 -> 187.250510657582
2.7/10 -> 187.513954080027
2.8/10 -> 187.708957196178
2.9/10 -> 187.835294954213
3.0/10 -> 187.892740241230
3.1/10 -> 187.881063776257
3.2/10 -> 187.800033998950
3.3/10 -> 187.649416953652
3.4000000000000004/10 -> 187.428976168492
3.5/10 -> 187.138472529157
3.6/10 -> 186.777664146939
3.7/10 -> 186.346306220629
3.8/10 -> 185.844150891815
3.9000000000000004/10 -> 185.270947093061
Hier ist der Wert bei 3.0
maximal. Wir können also annehmen, dass die Höhe der
Scheibe in etwa 3/10*R
sein sollte. Das ist auch der Wert, der in der Antike
berechnet und dann für die Höhe der Scheibe verwendet wurde.
Analytisches Maximum
Das analytische Maximum bestimmen wir einfach aus der Ableitung von A
nach
r
:
In[33]:
A_diff = diff(A, r, 1)
A_diff
$$\frac{R}{\sqrt{1 - \frac{r^{2}}{R^{2}}}} - \frac{r^{2}}{\sqrt{R^{2} - r^{2}}} - 2 \pi r + \sqrt{R^{2} - r^{2}}$$
Es lohnt sich übrigens als Übung diese Ableitung auch einmal manuell aus der
Formel zu berechnen. Um die Extremwerte zu bestimmten setzen wir die Ableitung
auf 0
:
In[43]:
extremwerte = solve(A_diff, r)
extremwerte
$$\begin{bmatrix}- \frac{\sqrt{R^{2}}}{\sqrt{1 + \pi^{2}}}, & \frac{\sqrt{R^{2}}}{\sqrt{1 + \pi^{2}}}, & - \frac{\pi \sqrt{R^{2}}}{\sqrt{1 + \pi^{2}}}, & \frac{\pi \sqrt{R^{2}}}{\sqrt{1 + \pi^{2}}}\end{bmatrix}$$
Die negativen Werte können wir in diesem Fall beseite lassen. Für R = 10
werden die anderen beiden Extremwerte zu:
In[48]:
maximum = extremwerte[1].subs(R, 10).evalf()
minimum = extremwerte[3].subs(R, 10).evalf()
maximum, minimum
$$\begin{pmatrix}3.03314471053353, & 9.52890513988687\end{pmatrix}$$
Das es sich tatsächlich um ein Maximum und ein Minimum handelt sieht man zum
Beispiel, wenn man die Werte in die Formel von A_10
einsetzt:
In[51]:
(A_10.subs(r, maximum).evalf(), A_10.subs(r, minimum).evalf())
$$\begin{pmatrix}187.896539791088, & 26.9881893328488\end{pmatrix}$$
Alternativ kann man natürlich die zweite Ableitung bemühen. Das überlasse ich dem Leser hiermit als Übung.
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